Dienstag, 27. Oktober 2009

RWTH-Campus: Motor für den Arbeitsmarkt?

Aachen. Wie werden der regionale Arbeitsmarkt und die regionale Wirtschaft auf das Megaprojekt RWTH-Campus reagieren? 

Die Initiative Aachen bietet in Partnerschaft mit der RWTH Aachen Campus GmbH und dem Zeitungsverlag Aachen eine Informations- und Diskussionsreihe und lädt Interessierten für Dienstag, 27. Oktober, um 18 Uhr in das SuperC, Templergraben 57 in Aachen, ein. Der Themenschwerpunkt dieser Veranstaltung lautet «Arbeitsmarkt und Wirtschaft».

In seinem Impulsvortrag «Der RWTH Aachen Campus - ein Forschungs- und Wirtschaftsmotor für neue Arbeitsplätze» geht der Aachener Unternehmer Günter Carpus auf diese Fragen ein.
Vertieft werden sie bei der anschließenden Podiumsdiskussion mit Stephan Baldin von der Aachener Stiftung Kathy Beys, dem stellvertretenden Geschäftsführer der IHK Aachen, Michael F. Bayer, und Matthias Kaschte, Leiter der Aachener Agentur für Arbeit. Moderiert wird die Veranstaltung von Jutta Geese und Udo Kals, Redakteure dieser Zeitung. 

Quelle: Aachener Nachrichten, 25.10.09

RWTH-Zukunftsprojekt mit einer Million Euro belohnt

Aachen/Bielefeld. Die RWTH will ihren Studierenden in allen Fächern eine nie gekannte, umfassende Betreuung zukommen lassen. Dafür wurde sie als eine von sechs Universitäten im bundesweiten Wettbewerb «Exzellente Lehre» ausgezeichnet. Das ehrgeizige Ziel: Bis 2020 sollen 75 Prozent der Studienanfänger hier auch einen Abschluss macht.
Umgekehrt heißt das, dass ein Schwund von «nur» noch 25 Prozent als tolles Ergebnis zu werten wäre. Heute betragen die Abbrecherquoten je nach Fach noch 50 und mehr Prozent.
In der Tat richten sich die Vorhaben des Lehr-Konzepts vor allem auf die Studierenden, die mehr Bedarf an Betreuung haben als andere.
Das sind sowohl jene, die nicht so gut mitkommen wie solche, die vielleicht noch schneller vorankommen könnten. Der zweite große Schwerpunkt liegt auf dem viel besser als bisher begleiteten und kontrollierten Zugang zum Studium.
Das reicht von einheitlicher lückenloser Information für Schüler bis zu Eingangstests, die dem Interessenten «Erfolgswahrscheinlichkeiten» für sein Wunschstudium an die Hand geben.
Dass es der RWTH, nach jahrelangen Sonntagsreden über die Bedeutung der Lehre und ihre hiesigen Defizite, diesmal wirklich ernst damit ist, belegt zumindest der Aufwand. Bis zu 200 Lehrende und Studierende sind seit anderthalb Jahren eingebunden in die Konzeption, die vor dem diesjährigen jetzigen Wettbewerb begonnen - und etwa bei den Bauingenieuren auch schon umgesetzt wurde.
Ein Kernteam, in das neben drei Professoren von Anfang an zwei Vertreter der Studierenden eingebunden war, sorgte in «20 Präsentationen» für Akzeptanz in der ganzen Hochschule.
«Das Konzept ist flächendeckend und von allen Gremien akzeptiert», bekräftigt Aloys Krieg. Der Mathematiker und Prorektor für Lehre hat, bei allem bescheidenen Hinweis auf die Teamarbeit, aus dem Lehr-Konzept ein kleines Lebenswerk gemacht. «Mit der Qualität hat die RWTH ja kein Problem. Aber wir verlieren zu viele auf dem Weg dahin.»
Dass möglichst bald viel mehr bei der Stange bleiben, bedeutet noch sehr viel Arbeit. «Wir haben erstmals ein Gesamtkonzept für die Lehre an der RWTH. Für den weiteren Erfolg ist wichtig, dass sich alle Gruppen der Hochschule so beteiligen wie es zuvor bei der Konzeptentwicklung der Fall war. Dies gilt insbesondere für die Studierenden.»
Das betont Christine Blesinger, die Gruppensprecherin der Studierenden. Anreize soll es für alle geben. Dazu gehören auch Preise und Zusatzverdienste für gute Lehre. Neu zu berufenden Dozenten werden didaktisch «gecoacht».
Zu den konkretesten Maßnahmen gehört, dass künftig alle Studierenden, die am Ende eines Semesters weniger als Zweidrittel der nötigen Leistungspunkte geschafft haben, aktiv von ihren Professoren angesprochen und ihnen Förderungen angeboten werden. «Wer künftig in der Forschung gut sein will, muss heute exzellente Lehre machen», streicht der Vorsitzende des Hochschulrats, Alfred Oberholz, den «Gewinn an Reputation» für die RWTH heraus.
Und Rektor Ernst Schmachtenberg freut sich zuvörderst darüber, dass «die Aachener Hochschule zu den drei Universitäten gehört, die sowohl in der Forschung als auch in der Lehre über das Exzellenzlabel verfügen».


Quelle: Aachener Nachrichten, 19.10.09

Ärzte verzweifelt gesucht

Selten waren die Beschäftigungschancen für Mediziner so gut wie heute. Kliniken ködern die Kandidaten mit Betriebsrenten und flexiblen Arbeitsbedingungen.

Mitten in der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte geht die Arbeitslosigkeit um 10 Prozent zurück. Wo gibt es das? Im Gesundheitswesen, unter den Medizinern. Im August vergangenen Jahres hatte die Bundesagentur für Arbeit 2965 Ärzte als arbeitslos registriert. Ein Jahr später waren es nur noch 2687. Rechnet man die gegen die 4000 Stellen auf, die die deutschen Krankenhäuser nicht besetzen können, gibt es für Ärzte im deutschen Gesundheitswesen mehr als Vollbeschäftigung. Bei den Meldungen dürfte es sich auch selten um Langzeitarbeitslose handeln, sondern eher um fluktuationsbedingte Wechsel. Das betrifft vor allem angestellte Ärzte in Krankenhäusern oder im öffentlichen Gesundheitsdienst; Niedergelassene können als Angehörige eines freien Berufs per Definition nicht arbeitslos werden.
So gut waren die Beschäftigungschancen für Ärzte lange nicht. Im "Deutschen Ärzteblatt" füllen die Stellenanzeigen regelmäßig 100 oder mehr Seiten. Es gibt Kliniken, die in einzelnen Abteilungen nur die Hälfte ihrer Mediziner-Planstellen besetzen können. Andere stellen die Behandlung von Patienten nur deshalb nicht ein, weil ausländische Fachkräfte in wachsender Zahl mit Hand anlegen. 21 784 von 320 000 registrierten Ärzten kamen im Jahr 2008 nicht aus Deutschland - die Tendenz ist steigend. 
Noch nie habe sich ein Angebotsmarkt mit Zigtausenden arbeitslosen Ärzten, wie man ihn noch vor zehn Jahren beklagt habe, in ähnlich rasanter Geschwindigkeit zu einem Nachfragemarkt mit Tausenden offenen Stellen entwickelt, staunt der Vizechef der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery. "Der Wechsel von Unterbeschäftigung über Vollbeschäftigung zu Überbeschäftigung mit Traumarbeitslosenzahlen ist ein Faktum."
Bald kommt es aus Sicht der Mediziner vielleicht noch besser. Denn von den knapp 150 000 niedergelassenen Ärzten werden sich in den nächsten Jahren Tausende altersbedingt zur Ruhe setzen. Schon entstehen in der haus- und fachärztlichen Versorgung auf dem Land erste Lücken, schon nutzen Ärzte die Aufhebung der Altersgrenze, um allein oder in Netzwerken noch ein paar Jahre draufzusatteln, damit die Versorgung nicht zusammenbricht. Hier und da stellen Kommunen und Kassenärztliche Vereinigungen schon die Praxis, damit junge Ärzte überhaupt noch aufs platte Land kommen. "Immer mehr ausgebildete Ärzte entscheiden sich gegen einen kurative Tätigkeit und wandern in alternative Berufsfelder oder ins Ausland ab", klagt Ärztekammerpräsident Jörg-Dietrich Hoppe. Jeder Fünfte gehe nach dem Abschluss des Studiums nicht ins Krankenhaus, das sei erschreckend viel.
Doch es ist ein Ärztemangel im Überfluss. 2008 hatte die Bundesärztekammer 319 697 berufstätige Ärzte registriert, im Jahre 1991 waren es erst 244 238. Seither hat sich viel verändert. Nicht nur, dass Ärzte bereit sind, für mehr Geld und kürzere Arbeitszeiten zu streiken. Die Arbeitszeiten sind, vor allem im Krankenhaus, drastisch gesunken. Immer mehr Frauen gehen in die Medizin, wollen aber im Vergleich zu den Männern weniger Stunden in der Woche arbeiten. Hinzu kommt der medizinisch-technische Fortschritt; neue Facharztrichtungen unter den Niedergelassenen beiten neue Beschäftigungschancen. Auch außerhalb von Klinik und Praxis bieten sich Ärzten interessante Perspektiven: in der Pharmaindustrie, bei Krankenversicherungen, in den Medien oder auch als Klinik-Controller mit betriebswirtschaftlicher Zusatzausbildung.
Die Standesorganisationen reagieren darauf. Unlängst haben Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Apotheker- und Ärztebank mit der Düsseldorf Business School an der Heinrich-Heine-Universität einen neuen Studiengang zum Master of Business-Administration-Gesundheitsmanagement aus der Taufe gehoben. Ab Dezember können Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Hochschulabsolventen, die im Gesundheitswesen arbeiten, in vier Semestern den MBA machen. Andere Universitäten bieten ähnliche Abschlüsse an.
Auch die Kliniken stellen sich auf den Anbietermarkt ein. Die gezahlten Gehälter hält der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum, für "konkurrenzfähig, sowohl im nationalen als auch im internationalen Vergleich". So komme ein Assistenzarzt im dritten Jahr auf 56 500 Euro samt Bereitschaftsdienstzulagen, ein Facharzt auf 81 000 Euro samt Poolbeteiligung aus privatärztlichen Einnahmen und ein Oberarzt auf 101 000 Euro. Chefärzte könnten laut einer Vergütungsstudie der Unternehmensberatung Kienbaum mit 250 000 Euro rechnen. Die Arbeitsbedingungen hätten sich verbessert, flexible Arbeitsmodelle ermöglichten es, Familie und Beruf besser unter einen Hut zu bringen. Die Arbeitsplätze seien sicher, zuweilen gebe es sogar eine Betriebsrente, und nicht zuletzt böten gerade die Kliniken Weiterbildung und Qualifikationsmöglichkeiten an. 
Engpässe sieht Baum vor allem in den neuen Bundesländern und in ländlichen Regionen sowie in einigen Fachgebieten wie der Anästhesie. Der Berufsverband der Chirurgen hat schon eine eigene Werbeaktion gestartet, um mehr Nachwuchs für den zuweilen auch körperlich anstrengenden "Knochenjob" zu finden. 
Für neue Beschäftigungsmöglichkeiten hat auch die Gesundheitspolitik in den vergangenen Jahren gesorgt. So können niedergelassene Ärzte auch am Krankenhaus arbieten oder in einer zweiten Praxis tätig werden, niedergelassene Ärzte können Assistenzärzte beschäftigen. Neue Beschäftigungsmöglichkeiten für angestellte Ärzte eröffnen sich auch in der wachsenden Zahl medizinischer Versorgungszentren, die von Ärzten, aber auch von Krankenhäusern betrieben werden.

Quelle: FAZ, 17./18.10.09


Wie sieht´s bei euch aus? Wo habt ihr vor zu arbeiten, wenn ihr mit dem Studium fertig seid, und wie stellt ihr euch euer Arbeitsleben vor?

Der Bachelor darf länger dauern

Kultusminister fordern Hochschulen zu Flexibilisierung auf

Die Kultusminister haben sich bei ihrer Tagung in Waren an der Müritz auf Veränderungen am System der Bachelor- und Master-Studiengänge geeinigt. Sie reagierten damit auf die Klage von Studenten wie Professoren über die Überfrachtung der Studiengäng, die starre Handhabung der Bachelor-Studiengänge in ihrer Dauer und die Verschlechterung der nationalen wie internationalen Mobilität. 
Die Kultusminister forderten die Hochschulen deshalb dazu auf, die vorhandene Bandbreite der Regelstudienzeiten für den Bachelor-Studiengang auszuschöpfen, der sechs, sieben oder acht Semester dauern kann. Auch sollten die Hochschulen die Studieninhalte im Rahmen der Reakkreditierung der Studiengänge überprüfen und mögliche Stofffülle reduzieren. Darüber hinaus sollen die Hochschulen sogenannte "Mobilitätsfenster" einplanen, also Möglichkeiten zum Wechsel an eine andere Hochschule im In- oder Ausland. Bei der gegenseitigen Anerkennung von Studien- oder Prüfungsleistungen dürfe es nicht um gleichartige, sondern nur um gleichwertige Ergebnisse gehen. 
Die Hochschulen werden also dazu aufgefordert, die Anerkennung in Zusammenarbeit mit den Fakultätentagen des jeweiligen Faches großzügiger zu handhaben, damit ein Wechsel leichter möglich wird. Solche Anerkennungsvereinbarungen ließen sich auch mit ausländischen Partnerhochschulen schaffen, meinen die Kultusminister. Vom Akkreditierungsrat und den Akkreditierungsagenturen, die in regelmäßigen Abständen alle neuen Studiengänge zulassen und schon vorhandene für hohe Summen reakkreditieren, erwarten die Kultusminister, jedes Studienprogramm darauf zu überprüfen, ob die Studieninhalte sinnvoll definiert sind, der Studiengang in der vorgesehenen Semesterzahl abgeschlossen werden kann, nicht zu viele Prüfungen vorgesehen sind und die Ziele des Studiums auch wirklich erreicht werden. ...


Quelle: FAZ, 17.10.09


Was ist eure Meinung zum Modellstudiengang Medizin? 
Ist er überladen? Schafft ihr die Regelstudienzeit?
Sind eure Studieninhalte sinnvoll definiert?
Wart ihr schon einmal im Ausland?
Hättet ihr Interesse daran, die Hochschule zu wechseln?


Schreibt uns eure Meinung zu Bachelor und Master!

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Mammographie: Zwischenbilanz des Screening-Programms

Der erste Evaluationsbericht zum Mammographie-Screening in Deutschland bestätigt, dass die Früherkennung den untersuchten Frauen nützt und dass vor allem kleinere Tumoren mit guten Heilungschancen gefunden werden. Drei Viertel der beim Screening entdeckten Tumoren haben noch nicht gestreut, bei den ohne Screening entdeckten Fällen nur die Hälfte. Auf jeden beim Screening aufgespürten Tumor kommt derzeit eine unnötige Biopsie.
Bei fast allen Qualitätskriterien erfüllt Deutschland die strengen Anforderungen der europäischen Leitlinien zur Qualitätssicherung, allerdings ist die Teilnahmequote zu gering. Auch die Qualität des Screenings variiert noch stark. Es gibt etliche Zentren, die hinter den Anforderungen zurückbleiben. Welche das sind, sagt der Bericht nicht. Denkbar ist, dass in einigen von ihnen auch neben dem Screening viel mammographiert worden ist und noch immer wird. Diese grauen Mammographien verringern die Zahl der beim Screening entdeckten Tumoren und drücken die Erkennungsrate unter den in den europäischen Leitlinien geforderten Wert. In der Einführungsphase blieben 42 der 77 analysierten Screening-Einheiten hinter diesem Wert zurück.
Ohne Mammographie-Screening wird bei zwei bis drei von tausend Frauen zwischen 50 und 69 Jahren Brustkrebs entdeckt, mit Screening bei sieben bis acht. Während der dreijährigen Einführungsphase wurden insgesamt 10 641 Karzinome entdeckt. 77 Prozent waren kleiner als zwanzig Millimeter und bei dieser Größe noch nicht tastbar. Bei Frauen mit kleinen Tumoren, die nicht gestreut haben, seien die Chancen, vollständig geheilt zu werden, besonders gut, sagte Karin Bock, Leiterin des Referenzzentrums Mammographie Südwest, bei der Vorstellung des Berichtes. Die betroffenen Frauen würden zudem von einer schonenderen und meist brusterhaltenden Therapie profitieren. Ob dadurch auch die Brustkrebssterblichkeit in Deutschland gesenkt werde, könne erst in ein paar Jahren gesagt werden.

Derzeit das beste Vorsorgeinstrument
Weil sich das Mammographie-Screening an Frauen richtet, von denen die meisten keinen Brustkrebs haben, soll durch die Untersuchung auch kein Schaden entstehen. Laut Bericht mussten 53 von tausend untersuchten Frauen wegen eines unklaren Befunds wieder einbestellt werden. 50 folgten der Einladung. Bei sechzehn Frauen wurde eine Gewebeprobe entnommen. Bei der Hälfte bestätigte sich der Verdacht auf Brustkrebs. Diese Zahlen spiegeln einen bundesdeutschen Mittelwert. Bei einigen Zentren war die Bilanz deutlich schlechter.
Vorgestellt wurde der Bericht vom Gemeinsamen Bundesausschuss und von der Kooperationsgemeinschaft Mammographie. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Kooperationsgemeinschaft Mammographie begleitet, zertifiziert und evaluiert das Mammographie-Screening in Deutschland. Rainer Hess, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses, zog bei der Vorstellung eine positive Bilanz. Der Bericht widerlege die Zweifel am medizinischen Nutzen dieses seit 2005 in Deutschland angebotenen Programms und unterstreiche anhand belastbarer Daten den Mehrwert für die teilnehmenden Frauen, so Hess. Das in Deutschland flächendeckend eingeführte Screening sei das derzeit beste Instrument, eine Brustkrebserkrankung möglichst frühzeitig zu entdecken und die Heilungschancen durch eine schnelle und zielgerichtete Behandlung zu verbessern.
Vier Jahre Aufbauarbeit
Der Bericht beschreibt die ersten drei Jahre des deutschen Mammographie-Screenings. Er listet die Daten von 77 Einheiten auf. Die restlichen siebzehn der insgesamt 94 Screening-Einheiten arbeiten erst seit einigen Monaten. Dass es mehr als vier Jahre Zeit gekostet hat, in Deutschland eine Flächendeckung zu erreichen, hat mehrere Gründe. Mit zehn Millionen anspruchsberechtigten Frauen zwischen 50 und 69 Jahren habe man hierzulande das größte Früherkennungsprogramm für Brustkrebs innerhalb Europas aufbauen müssen, so Wolfgang Aubke, stellvertretender Vorsitzender des Beirates der Kooperationsgemeinschaft Mammographie. Außerdem sei das deutsche Gesundheitswesen dezentral organisiert, für das Screening habe man aber auch zentrale Strukturen benötigt. Schließlich habe man ein einheitliches Einladungssystem entwickeln müssen. Auch das habe Zeit gekostet. In der Einführungsphase lag die Einladungsquote nur bei 52 Prozent der Anspruchsberechtigten.
Schwierigkeiten gab es auch bei der Vergabe von Screening-Identifikationsnummern. Die Einwohnermeldeämter geben den einladenden Stellen die personenbezogenen Daten nur für die jeweilige Einladungsrunde. Danach werden die Daten gelöscht und bei der nächsten Runde wieder zur Verfügung gestellt. Ändern Frauen zwischen zwei Einladungen ihren Familiennamen oder werden vom Einwohnermeldeamt nicht alle Vornamen weitergegeben, werden neue Identifikationsnummern angelegt und die Ergebnisse der früheren Reihenuntersuchung nicht mit denen der späteren in Beziehung gesetzt. Die Einladungszahlen werden dadurch über-, die Teilnehmerraten unterschätzt.
Nachgebesserte Softwaresysteme
Während der Einführungsphase hat nur die Hälfte der eingeladenen Frauen am Screening teilgenommen. Die europäischen Leitlinien fordern aber eine Teilnehmerrate von 70 Prozent. Dieser Wert sei in den anderen europäischen Ländern auch erst nach einigen Screening-Runden erreicht worden, so Karin Bock. Die deutschen Frauen stünden dem Programm grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber, wie Befragungen gezeigt hätten. Vermutlich werde die Zahl auch noch durch graue Mammographien und Mammographien bei unklarem Tastbefund gedrückt.
Weitere Schwierigkeiten gab es bei der Datenverarbeitung. In den Screening-Einheiten werden zwei verschiedene Softwaresysteme verwendet. Eines stammt noch aus dem bayerischen Mammographie-Screening, das zunächst unabhängig von den anderen Bundesländern betrieben und erst vor zwei Jahren in das gesamtdeutsche Programm überführt wurde. Das andere ist für das nationale Programm entwickelt worden. Beide Softwaresysteme stammen aus einer Zeit, in der noch nicht klar war, welche Abfragen aus der Datenbank für die Evaluation des Screenings tatsächlich erforderlich sind. Die Softwaresysteme waren zunächst so angelegt worden, dass zwar die einzelnen Reihenuntersuchungen aufgerufen werden können, dass aber keine kumulative Auswertung zu Tumorgröße und Tumorstadium möglich war. Diese Auswertung erfolgte dann zum Teil per Hand. Die Softwaresysteme sind inzwischen nachgebessert worden.
Der Evaluationsbericht ist unter www.mammo-programm.de zu finden.

Von Simulatoren und Simulanten

Wie wird angehenden Ärzten neben dem Wissen auch die handwerkliche Fähigkeit gelehrt? Ein Bericht über medizinisches Probehandeln.

Dass angehende Ärzte nicht jeden Handgriff sofort am lebenden Subjekt ausüben, erscheint, zumal aus Betroffenensicht, wünschenswert. Die ersten Menschen, bei denen Medizinstudenten selber Hand anlegen dürfen, müssen in der Regel auch nciht mehr um ihr Leben fürchten: Sezierkurse nehmen in der medizinischen Lehre nach wie vor einen wichtigen Stellenwert ein. 
An Leichen allein lässt sich der Arztberuf freilich nicht erlernen. Und auch die in Vorlesungen und Seminaren vermittelten theoretischen Kenntnisse erzeugen höchstens gebildete Mediziner, nicht jedoch praktisch geschulte Ärzte. Denn der Dienst am Patienten erfordert eine ganze Reihe weiterer Fähigkeiten, darunter technisches Geschick, Teamgeist und kommunikative Gaben. Die Vermittlung solcher Fertigkeiten obliegt traditionsgemäß erfahrenen Kollegen. Angesicht des wachsenden Ärztemangels bleibt diesen für die praktische Lehre aber kaum noch Zeit. Hinzu kommt, dass die Komplexität der Medizin laufend zunimmt, das Erlernen einschlägiger Fähigkeiten daher immer anspruchsvoller wird. 
Diesen Schwierigkeiten versucht man mit zunehmend ausgefeilten Simulationsmodellen zu begegnen: Operationsphantomen zum Erlernen minimalinvasiver oder auch feinchirurgischer Techniken, virtuellen Operationsabläufen, Patientendummys mit realitätsnahen Krankheitssymptomen und von Schauspielern gemimten Kranken, die den Ärzte-Azubis gehörig zusetzen können. Alles nur Spielerei? Keineswegs, findet Hartwig Bauer, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Zwar seien solche Modell nicht geeignet, die Praxis am echten Patienten zu ersetzen. Allerdings könnten sie den Lernprozess merklich beschleunigen.
Einen nachweislichen Nutzen bringen Simulationsverfahren in der Schlüssellochchirurgie. ...
Dass das minimalinvasive Trockentraining angehende Chirurgen für den klinischen Alltag rüstet, belgen auch die in den "Cochrane Reviews" (DOI: 10.1002/14651858.CD006575.pub2) veröffentlichten Ergebnisse einer aktuellen Analyse. Nach kritischer Auswertung der Daten von 23 einschlägigen Studien stellen dei Verfasser dem "Reality-Training" hierin ein gutes Zeugnis aus. So gelinge es damit, die Eingriffsdauer zu verkürzen, die Fehlerquote zu verringern und die Genauigkeit der Behandlung zu erhöhen.
Umso erstaunlicher ist es vor diesem Hintergrund, dass solche Praktika in der Medizin bislang keine Pflicht sind. Viele Jungärzte sammeln ihre ersten einschlägigen Erfahrungen daher an echten Patienten, beklagt der Anästhesist Marcus Rall, der an der Universität in Tübingen das renommierte Simulationszentrum Tüpass leitet. ...
Das Erlernen spezifischer Handgriffe ist freulich nur eine Seite der ärztlichen Medaille. Auf der anderen Seite steht die Versorgung des Patienten als ganzheitliches Individuum: Die Symptome kranker Menschen richtig zu interpretieren und, zumal in Notsituationen, sachgerecht zu agieren, stellt eine mindestens ebenso große medizinische Herausforderung dar. ...
Zu den wichtigsten Zielen des Simulationstrainings gehöre, betont Rall in einem Gespräch, die Teamarbeit zu fördern. Einzelne Ärzte könnten noch so fähig sein: Erteilen sie keine klaren Anweisungen oder sprechen sie ihre Partner nicht klar und deutlich an, stehe der Erfolg der Behandlung auf dem Spiel. So gingen rund siebzig Prozent aller Fehlschläge in der Medizin auf Kommunikationsfehler und andere menschliche Unzulänglichkeiten zurück. Den Verantwortlichen hinterher Vorhaltungen zu machen, erzeuge aber wenig Einsicht, weiß der Anästhesist aus Erfahrung. Als sehr viel wirkungsvoller habe es sich erwiesen, den Betreffenden das eigene Verhalten direkt vor Augen zu führen. Das Simulationstraining sei hierfür insofern geeignet, als man die Teams bei der Arbeit filmen und die Aufzeichnungen anschließend gemeinsam auswerten kann. 
Zu wenig Beachtung findet im Medizinstudium darüber hinaus auch das Gespräch mit dem Patienten - und das, obwohl kommunikative Fähigkeiten im klinischen Alltag eine maßgebliche Rolle spielen. Eine sachgerechte Patientenversorgung setzt nämlich voraus, dass der Arzt dem Kranken aufmerksam zuhört, dessen Sorgen und Näte ernst nimmt und zudem in der Lage ist, unangenehme Nachrichten schonend zu überbringen. Um Medizinstudenten frühzeitig auf solche Herausforderungen vorzubereiten, sind einige Universitäten dazu übergegangen, eigens geschulte Schauspieler als Scheinpatienten zu engagieren. ...
Etliche einschlägige Berichte bescheinigen den Simulantenpraktika jedenfalls große Lernerfolge. Denn die Schauspieler sollen die Erkrankungen so gut mimen, dass die Studenten die Schweinwelt (!) als äußerst real, ja mitunter als enorm stressreich empfinden ("Deutsches Ärzteblatt", Bd. 104 und Bd. 105).
Die löblichen Bemühungen einzelner Zentren können freilich ncikht darüber hinwegtäuschen, dass die praktische Seite des Arztberufs in der medizinischen Lehre nach wie vor ein Mauerblümchendasein fristet. ...
Dass es weiterhin viel zu tun gibt, findet auch Rall. Nicht gelten lassen will der Anästhesist den häufig vorgebrachten Einwand, Simulationsmodelle seien zu teuer und könnten daher nicht allen Studierenden gleichermaßen angeboten werden. Was viele außer Acht ließen: Die Kosten für die Behandlung von Komplikationen, die auf das Konto von ungeübten Ärzten gehen, sind um ein Vielfaches höher. 


Quelle: FAZ, 24.06.09