Donnerstag, 15. Oktober 2009

Mammographie: Zwischenbilanz des Screening-Programms

Der erste Evaluationsbericht zum Mammographie-Screening in Deutschland bestätigt, dass die Früherkennung den untersuchten Frauen nützt und dass vor allem kleinere Tumoren mit guten Heilungschancen gefunden werden. Drei Viertel der beim Screening entdeckten Tumoren haben noch nicht gestreut, bei den ohne Screening entdeckten Fällen nur die Hälfte. Auf jeden beim Screening aufgespürten Tumor kommt derzeit eine unnötige Biopsie.
Bei fast allen Qualitätskriterien erfüllt Deutschland die strengen Anforderungen der europäischen Leitlinien zur Qualitätssicherung, allerdings ist die Teilnahmequote zu gering. Auch die Qualität des Screenings variiert noch stark. Es gibt etliche Zentren, die hinter den Anforderungen zurückbleiben. Welche das sind, sagt der Bericht nicht. Denkbar ist, dass in einigen von ihnen auch neben dem Screening viel mammographiert worden ist und noch immer wird. Diese grauen Mammographien verringern die Zahl der beim Screening entdeckten Tumoren und drücken die Erkennungsrate unter den in den europäischen Leitlinien geforderten Wert. In der Einführungsphase blieben 42 der 77 analysierten Screening-Einheiten hinter diesem Wert zurück.
Ohne Mammographie-Screening wird bei zwei bis drei von tausend Frauen zwischen 50 und 69 Jahren Brustkrebs entdeckt, mit Screening bei sieben bis acht. Während der dreijährigen Einführungsphase wurden insgesamt 10 641 Karzinome entdeckt. 77 Prozent waren kleiner als zwanzig Millimeter und bei dieser Größe noch nicht tastbar. Bei Frauen mit kleinen Tumoren, die nicht gestreut haben, seien die Chancen, vollständig geheilt zu werden, besonders gut, sagte Karin Bock, Leiterin des Referenzzentrums Mammographie Südwest, bei der Vorstellung des Berichtes. Die betroffenen Frauen würden zudem von einer schonenderen und meist brusterhaltenden Therapie profitieren. Ob dadurch auch die Brustkrebssterblichkeit in Deutschland gesenkt werde, könne erst in ein paar Jahren gesagt werden.

Derzeit das beste Vorsorgeinstrument
Weil sich das Mammographie-Screening an Frauen richtet, von denen die meisten keinen Brustkrebs haben, soll durch die Untersuchung auch kein Schaden entstehen. Laut Bericht mussten 53 von tausend untersuchten Frauen wegen eines unklaren Befunds wieder einbestellt werden. 50 folgten der Einladung. Bei sechzehn Frauen wurde eine Gewebeprobe entnommen. Bei der Hälfte bestätigte sich der Verdacht auf Brustkrebs. Diese Zahlen spiegeln einen bundesdeutschen Mittelwert. Bei einigen Zentren war die Bilanz deutlich schlechter.
Vorgestellt wurde der Bericht vom Gemeinsamen Bundesausschuss und von der Kooperationsgemeinschaft Mammographie. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Kooperationsgemeinschaft Mammographie begleitet, zertifiziert und evaluiert das Mammographie-Screening in Deutschland. Rainer Hess, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses, zog bei der Vorstellung eine positive Bilanz. Der Bericht widerlege die Zweifel am medizinischen Nutzen dieses seit 2005 in Deutschland angebotenen Programms und unterstreiche anhand belastbarer Daten den Mehrwert für die teilnehmenden Frauen, so Hess. Das in Deutschland flächendeckend eingeführte Screening sei das derzeit beste Instrument, eine Brustkrebserkrankung möglichst frühzeitig zu entdecken und die Heilungschancen durch eine schnelle und zielgerichtete Behandlung zu verbessern.
Vier Jahre Aufbauarbeit
Der Bericht beschreibt die ersten drei Jahre des deutschen Mammographie-Screenings. Er listet die Daten von 77 Einheiten auf. Die restlichen siebzehn der insgesamt 94 Screening-Einheiten arbeiten erst seit einigen Monaten. Dass es mehr als vier Jahre Zeit gekostet hat, in Deutschland eine Flächendeckung zu erreichen, hat mehrere Gründe. Mit zehn Millionen anspruchsberechtigten Frauen zwischen 50 und 69 Jahren habe man hierzulande das größte Früherkennungsprogramm für Brustkrebs innerhalb Europas aufbauen müssen, so Wolfgang Aubke, stellvertretender Vorsitzender des Beirates der Kooperationsgemeinschaft Mammographie. Außerdem sei das deutsche Gesundheitswesen dezentral organisiert, für das Screening habe man aber auch zentrale Strukturen benötigt. Schließlich habe man ein einheitliches Einladungssystem entwickeln müssen. Auch das habe Zeit gekostet. In der Einführungsphase lag die Einladungsquote nur bei 52 Prozent der Anspruchsberechtigten.
Schwierigkeiten gab es auch bei der Vergabe von Screening-Identifikationsnummern. Die Einwohnermeldeämter geben den einladenden Stellen die personenbezogenen Daten nur für die jeweilige Einladungsrunde. Danach werden die Daten gelöscht und bei der nächsten Runde wieder zur Verfügung gestellt. Ändern Frauen zwischen zwei Einladungen ihren Familiennamen oder werden vom Einwohnermeldeamt nicht alle Vornamen weitergegeben, werden neue Identifikationsnummern angelegt und die Ergebnisse der früheren Reihenuntersuchung nicht mit denen der späteren in Beziehung gesetzt. Die Einladungszahlen werden dadurch über-, die Teilnehmerraten unterschätzt.
Nachgebesserte Softwaresysteme
Während der Einführungsphase hat nur die Hälfte der eingeladenen Frauen am Screening teilgenommen. Die europäischen Leitlinien fordern aber eine Teilnehmerrate von 70 Prozent. Dieser Wert sei in den anderen europäischen Ländern auch erst nach einigen Screening-Runden erreicht worden, so Karin Bock. Die deutschen Frauen stünden dem Programm grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber, wie Befragungen gezeigt hätten. Vermutlich werde die Zahl auch noch durch graue Mammographien und Mammographien bei unklarem Tastbefund gedrückt.
Weitere Schwierigkeiten gab es bei der Datenverarbeitung. In den Screening-Einheiten werden zwei verschiedene Softwaresysteme verwendet. Eines stammt noch aus dem bayerischen Mammographie-Screening, das zunächst unabhängig von den anderen Bundesländern betrieben und erst vor zwei Jahren in das gesamtdeutsche Programm überführt wurde. Das andere ist für das nationale Programm entwickelt worden. Beide Softwaresysteme stammen aus einer Zeit, in der noch nicht klar war, welche Abfragen aus der Datenbank für die Evaluation des Screenings tatsächlich erforderlich sind. Die Softwaresysteme waren zunächst so angelegt worden, dass zwar die einzelnen Reihenuntersuchungen aufgerufen werden können, dass aber keine kumulative Auswertung zu Tumorgröße und Tumorstadium möglich war. Diese Auswertung erfolgte dann zum Teil per Hand. Die Softwaresysteme sind inzwischen nachgebessert worden.
Der Evaluationsbericht ist unter www.mammo-programm.de zu finden.

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