Mittwoch, 11. November 2009

Streitfrage Impfen

Aachen. Wie hoch ist im Moment das Risiko, sich tatsächlich mit dem H1N1-Virus zu infizieren, der unter dem Namen «Schweinegrippe» vielen Menschen Angst macht? Sind die Nebenwirkungen der Impfung eine zusätzliche Gefährdung der Gesundheit? Warum gibt es eigentlich unterschiedliche Impfstoffe? 
Welche Personengruppen tragen ein besonders hohes Risiko, und müssen wir nicht auch die Impfung im Hinblick auf die «saisonale Influenza» - die übliche «Grippeimpfung» - bedenken? Darf man beide Impfungen gleichzeitig erhalten?

Brennende Fragen, auf die unsere Zeitung beim AZ-Forum Medizin «Spezial» in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Aachen am Donnerstag Antworten sucht. Fünf Experten analysieren die gegenwärtige Situation und gehen auf die Sorgen und Nachfragen des Publikums ein.

Wird mit der Bedrohung durch die «Schweinegrippe» zu hysterisch umgegangen, oder sind diejenigen, die sagen «Impfung? Nein Danke!» tatsächlich leichtfertig und schlecht informiert? «Das Problem ist die Tatsache, dass Grippe-Viren relativ mutationsfreudig sind», so Sebastian Lemmen, der die Entwicklungsgeschichte der Viren beobachtet. So gab es in Mexiko und Südostasien schon 1918/19 als «Spanische Grippe» das H1N1-Virus, das gleichfalls 1976 in den USA entdeckt wurde.

«Mit einem Enzym, das eine vorher nicht analysierte Gensequenz hatte.» Seine Meinung: «Was heute noch nicht sehr krank macht, kann nach drei Mutationsstufen durchaus gefährlich sein.»

Verstärkt Übelkeit und Fieber

Viele Menschen haben in Deutschland inzwischen sogar die «Schweinegrippe» überstanden, ohne es richtig bemerkt zu haben. «Im Vergleich zur bekannten Grippe treten verstärkt Übelkeit, Durchfall, Husten und Fieber auf», weiß Stefan Krüger, der Betroffene bereits im Klinikum behandelt hat. «Wenn der Blutdruck absackt oder Patienten Herz-Kreislaufprobleme haben, muss man sie behandeln.» Vor «Selbstbehandlung» etwa durch einen kräftigen Schluck Alkohol warnt Krüger: «Alkohol dämpft die Immunabwehr.»

In seiner Praxis als Facharzt für Allgemeinmedizin in Monschau hört Hans-Dieter Hege täglich die besorgten Fragen der Patienten. «Es geht um eine Abwägung des Risikos, wir impfen schließlich Präparate, die eine Immunabwehr verstärken.» Gerade im Hinblick auf Kinder und Jugendliche gibt Norbert Wagner zu bedenken: «Wer noch nie Kontakt mit einem Virus hatte, neigt dazu, schwer zu erkranken.» Aus seiner Sicht sollten Menschen, die im Gesundheitsdienst tätig sind und Kinder ab sechs Monate mit einer chronischen Erkrankung vorrangig die Impfung erhalten. Nach den Sechs- bis 24-Jährigen folgt die Gruppe der 25- bis 59-Jährigen sowie die Menschen im Alter ab 60 Jahre.

Die Diskussion um Impfstoffverstärker scheint aus Sicht der Experten allerdings übertrieben. «Das gab es schon bei früheren Impfstoffen, das ist nichts Neues», sagt Wagner.

Und wer überprüft, ob aus einem vergleichsweise harmlosen Virus irgendwann eine große Gefährdung geworden ist? «Die Viren werden von Referenzenlaboratorien der Weltgesundheitsbehörde WHO regelmäßig untersucht, es sind neutrale Einrichtungen», erläutert Klaus Ritter. Bei Fragen, wie man sich im Alltag verhalten sollte, wiederholt er aus der Sicht des Mikrobiologen immer wieder den Rat: «Hände waschen, besonders in Schulen und Kindergärten!» Und wenn im vollbesetzten Bus der Nachbar prustet? «Für einen Moment die Luft anhalten und die Augen schließen, das vermindert bereits die Ansteckungsgefahr.»

Im Großen Hörsaal um 19.30 Uhr

«Streitfrage Impfen» im AZ-Forum Medizin «Spezial» am Donnerstag, 12. November, 19.30 Uhr, im Großen Hörsaal 4 (GH4) des Universitätsklinikums Aachen, Pauwelsstraße. Fragen des Publikums sind erwünscht. Der Eintritt ist frei. Einlass ab 18.30 Uhr.

Die fünf Experten: Aus dem Uniklinikum Professor Dr. Sebastian Lemmen (Leiter des Zentralbereichs für Krankenhaushygiene und Infektiologie), Professor Dr. Klaus Ritter (kommissarischer Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie), Privatdozent Dr. Stefan Krüger (Oberarzt der Medizinischen Klinik I und Leiter der Sektion Pneumologie, Lungenfunktion, Bronchologie), Professor Dr. Norbert Wagner (Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin) sowie aus Monschau der Allgemeinmediziner Dr. Hans-Dieter Hege.



Quelle: Aachener Nachrichten Online, 9.11.09

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