Dienstag, 2. März 2010

Werden auf dem Land nach den Ärzten auch die Apotheken rar?

FRANKFURT/MAIN (cw). Die Landflucht der Ärzte wirkt sich derzeit noch nicht nennenswert auf die Apotheken aus. Branchenbeobachter glauben aber, dass sich das auf mittlere bis lange Sicht ändern wird. Denn es sind vor allem Hausärzte, die auf dem Land fehlen - und die veranlassen zwei Drittel aller Verordnungen, sowohl nach Menge als auch nach Wert.

Werden auf dem Land nach den Ärzten auch die Apotheken rar?

3600 Arztsitze sind unbesetzt, ließ die Kassenärztliche Bundesvereinigung zu Jahresbeginn verlauten. Auf den vorderen Plätzen: Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. Informierte Kreise wissen, dass die Ausgangsbasis für das Urteil "Ärzte fehlen" ein 110-prozentiger Versorgungsgrad ist. Damit ist die Situation weit weniger dramatisch, als es sich zunächst anhört. Tatsächliche Unterversorgung hat die KBV bis dato bundesweit in 26 von 395 Planungsbereichen festgestellt. Das betrifft vor allem Hausärzte, (fehlen in 14 Planungsbereichen), Hautärzte (6) Augenärzte (5) und Nervenärzte (1).

Bis 2017, prognostiziert die KBV, werden brutto 42 800 Vertragsarztsitze frei, jährlich mehr als 5000. Eine Nettoschätzung, aus der hervorginge, wieviele Arztsitze dann wirklich wegfallen, will die Standesvertretung zwar nicht abgeben. Doch die Bevorzugung urbaner Lagen unter medizinischen Einsteigern in die Selbstständigkeit ist ebenso ungebrochen wie die "abnehmende Bereitschaft junger Ärzte, im kurativen Bereich tätig zu werden", wie es die KBV in einem aktuellen Bericht formuliert ("Die Bedarfsplanung des ambulanten Sektors in Deutschland und die Notwendigkeit ihrer Weiterentwicklung").

Dem Kölner Institut für Handelsforschung zufolge sind jetzt schon mehr als 30 Prozent der Apotheken nicht mehr in der Lage, den kalkulatorischen Unternehmerlohn zu erwirtschaften, also den Betrag, den ein Apotheker als angestellter Geschäftsführer beanspruchen könnte. Spätestens bei der Nachfolger-Suche werde das zum Stolperstein.

Und die prinzipielle Abhängigkeit der Apotheken von Verordnern lässt befürchten, dass die auch die pharmazeutische Versorgung auf dem Land in absehbarer Zeit kritisch wird. Während laut KBV für Fachärzte "eine faktische Niederlassungssperre" besteht, sind Hausärzte Mangelware, für die "zahlreiche Planungsbereiche im gesamten Bundesgebiet offen sind".

Doch es sind eben die Praxen im hausärztlichen Bereich - Allgemeinärzte, hausärztliche Internisten, MVZ und letztlich auch Gynäkologen und Pädiater -, die das Gros des Verordnungsumsatzes der Apotheken veranlassen - sowohl nach Packungsmenge als auch nach Wert. Eine Analyse des Frankfurter Marktforschungsunternehmens IMS Health zeigt: 79 Prozent (absolut: 585,4 Millionen) der 2009 in öffentlichen Apotheken abgegebenen Packungen mit rezeptpflichtigen Medikamenten wurden von Ärzten der Grundversorgung verordnet. Nach Wert waren es 63 Prozent beziehungsweise 11,1 Milliarden Euro (zu Herstellerabgabepreisen).

Wann es soweit ist, dass auch von einer Landflucht der Apotheken gesprochen werden muss, ist nach Meinung der Kammern mit Gewissheit nicht zu sagen. In Westfalen-Lippe etwa habe die seit 2004 mögliche Filialisierung dafür gesorgt, dass die Apothekendichte konstant geblieben ist. "Sonst hätten wir gerade im ländlichen Raum schon 200 bis 250 Apotheken verloren", sagt Kammersprecher Michael Schmitz.

Das sieht man bei der Apothekerkammer Niedersachsen genauso. Sprecherin Anja Hugenberg verweist zudem auf demografische Effekte: "Viele Kollegen stehen kurz vor dem Eintritt in das Rentenalter, so dass wir in den nächsten Jahren eine Zunahme an Apothekenschließungen aus Altersgründen erwarten, denn viele Apotheken werden nicht mehr verkäuflich sein".

In Sachsen-Anhalt, ebenfalls unter den Top-3-Bundesländern mit freien Vertragsarztsitzen, macht man sich weniger Sorgen. Noch funktioniere die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln auch in dünn besiedelten Gebieten, weiß Kammergeschäftsführerin Dr. Christine Heinrich. Und wenn Apotheken wegfallen sollten, so Heinrich, gebe es immer noch die Möglichkeit, in der Nähe von Ärzten Rezeptsammelstellen einzurichten.
 
Quelle: Ärzte Zeitung online, 26.02.2010

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